Recht Staat Wirtschaft 20

Zeitgenössisches Lehrwerk für Berufs, Fach- und Mittelschulen der deutschsprachigen Schweiz - Ausgabe 2023

Wert CHF 78.–

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Repetitorium:

WIRTSCHAFT STAAT RECHT 20. Ausgabe

DANKE! Wir danken allen Partnern des Lehrwerks für ihre wertvolle Mitarbeit und grosse Fachkompetenz. Durch ihre materielle und ideelle Unterstützung wurde die Realisierung des Lehrwerks «Recht Staat Wirtschaft» möglich.

Kantonale Steuerämter

www.coop.ch

www.bafu.admin.ch

www.swisstransplant.org

www.helsana.ch

www.swisspower.ch

www.ernst-goehner-stiftung.ch

Liebe Studierende, liebe Lernende

Eine solide Ausbildung ist die Grundlage für eine vielversprechende berufliche Zukunft. Sie ist wichtig für Ihr persönliches Wohlergehen. Aber auch die Schweiz als Ganzes profitiert von gut ausgebildeten Fachkräften. Sie sind unerlässlich, wenn wir unseren Wohlstand sichern möchten. Die Globalisierung erhöht den Konkurrenzdruck beträchtlich, und ein kleines Land ohne nennens- werte Rohstoffe und ohne Meeranschluss wie die Schweiz gerät leicht unter Druck. Es ist deshalb weit mehr als ein Schlagwort, die Bildung als unseren «wichtigsten Rohstoff» zu bezeichnen; unser duales Berufsbildungssystem ist ein wesentliches, unverzichtbares Element unserer Wettbewerbsfähigkeit. In diesem System nimmt die Privatwirtschaft direkten Einfluss und sorgt dafür, dass Nachwuchs- kräfte praxisnah und den aktuellen Anforderungen entsprechend ausgebildet werden. Der Bund wiederum sorgt für moderne Ausbildungsreglemente. In enger Zusammenarbeit mit den Kanto- nen werden in Lehrplänen zeitgemässe Unterrichtsinhalte zusammengestellt. Um diese weiterzu- geben, benötigen wir Lehrmittel, welche die Materie attraktiv und lebensnah vermitteln, so dass möglichst viel davon «hängen bleibt».

Mit Fachwissen allein ist es nicht getan

Die Integration in die Gemeinschaft und das Mitgestalten der Gesellschaft sind in der Schweizer Demokratie eine zusätzliche Herausforderung. Deshalb gehört es zur Aufgabe der Schulen, die jungen Leute auf ihre Aktivitäten als Bürgerinnen und Bürger unseres Staates vorzubereiten. Mit Erreichen des 18. Altersjahres sind Sie alle aufgefordert, aktiv an der Gestaltung unseres Landes mitzuwirken, sei es auf Gemeinde-, Kantons- oder Bundesebene. Das politische Grundwissen, über das alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz verfügen müssen, kann man sich auf verschiedene Arten aneignen. Effizient ist zweifellos das Studium des Lehrbuchs «Recht Staat Wirtschaft», das Sie in den Händen halten. Es vermittelt Ihnen auf praxis­ bezogene Art eine solide Basis. Als Wirtschafts- und Bildungsminister wünsche ich mir gut ausgebildete junge Leute, die sich im Berufsleben aktiv einbringen. Als Bundesrat wünsche ich mir Mitbürgerinnen und Mitbürger, die bereit sind, sich in der Gemeinschaft einzusetzen und den Staat weiterzuentwickeln. Nutzen Sie Ihre Ausbildungszeit, um diesem doppelten Anspruch gerecht zu werden.

Guy Parmelin Bundesrat Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF

VORWORT

«Sponsoring», ein heikles Thema, «Sponsoring und Schulen» noch viel mehr. Es gibt Lehrkräfte, die lehnen den Einsatz gesponserter Lehrmittel aus ideologischen Gründen ab. Ja, es gibt ganze Schulen, die verbieten solche Unterrichtsmaterialien rundweg. Befürchtet wird eine Indoktrination der wehrlosen Schülerinnen und Schüler. Was in der Primarschule noch angehen mag, finde ich auf der Sekundarstufe II unangebracht. Unsere Lernenden sind urteilsfähig, in vielen Fällen sogar handlungsfähig, also mündig. Als junge Erwachsene sollten sie in der Lage sein, mit Werbebot­ schaften umzugehen, sofern gewisse Regeln eingehalten werden.

In Bezug auf «Recht Staat Wirtschaft» lauten diese Regeln:

1 Unsere Sponsoren verstecken sich nicht; sie sind auf den ersten Blick erkennbar. Die von ihnen finanziell unterstützen Beiträge sind klar (wenn auch diskret) gekennzeichnet. 2 Unsere öffentlichen und privaten Partner verfügen über eine hohe Reputation, d.h. ein gutes Ansehen. 3 Die Lehrtexte selbst sind von kompetenten, unabhängigen Fachleuten verfasst, informativ und objektiv. Einzig im Aufgabenteil oder bei praktischen Beispielen spannen wir den Bogen zu den Websites und Angeboten unserer Partner. 4 Inserate und PR-Texte sind im Buch dosiert eingesetzt und als solche sofort erkennbar. Letztlich geht es um Glaubwürdigkeit. Solange «Recht Staat Wirtschaft» als Lehrmittel anerkannt und geschätzt wird, haben wir Zugang zu den Schulstuben und werden unserem Informationsauftrag gerecht. Verlieren wir diese Glaubwürdig- keit und verkommen wir zu einer blossen Werbebroschüre, wird uns dieser Zugang, zu Recht, verweigert. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind letztlich unser Korrektiv. Ihr Urteil ist entscheidend. Bis jetzt war dieses Urteil mehrheitlich positiv und zustimmend. Jahr für Jahr wächst die Anzahl Nutzerinnen und Nutzer von «Recht Staat Wirtschaft». Glaubwürdigkeit ist aber ein heikles Gut, schwer zu erarbeiten und leicht zu verspielen. Wir tun alles, um unseren guten Ruf zu wahren, redigieren Texte, streichen Passagen und verzichten gar auf gewisse Sponsoren. Ihr Vertrauen ist uns wichtig, und wir sind dankbar, wenn Sie uns dieses auch weiterhin entgegen bringen.

Verlag

Schatz Verlag GmbH Hüttenwiesstrasse 2, 9016 St.Gallen E-mail: info@schatzverlag.ch Mob. 076 499 53 88

Autoren

Herbert Wattenhofer, Prof., Dr. oec., MBA of U of C, Zürich Simone Aschwanden, Lehrerin W&R, Kanti Alpenquai, Luzern Nicola Botticella, Gymnasiallehrer, lic. oec., lic. phil., Basel Patrick Egloff, Sektionschef EDA, Bern Manuel Elmiger, MSc Ökonomie, Helsana Gesundheitspolitik, Basel Thomas Grögli, Steuersekretär, St.Gallen Hanspeter Haltner, Dr. oec. HSG, Versicherungsfachmann, Algetshausen Bernhard Güntert, Prof. Dr. oec. / MHA, Gesundheitsökonom, Teufen Thomas Hansjakob, Dr. iur. u. lic. oec. ehem. Erster Staatsanwalt, St.Gallen Ulrich Illigen, lic. iur., Handelslehrer, Mörschwil Armin Jans, Prof., Dr., FH-Dozent, Bankrat SNB 1999-2011, Zug Pierre Marty, Rechtsanwalt, lic. oec. (HEC), Morges Peter Reimann, lic. oec. HSG, ehem. Leiter Abt. Finanzen Kanton Aargau Nadia Schatz, lic. iur., Thalwil Reto Schneider, Betriebsökonom HWV, St.Gallen David Sonderegger, lic. oec., dipl. Handelslehrer, Uni SG, Luzern Rolf Sutter, Rektor, BWZG, St.Gallen Oscar Toldo, Prorektor Wirtschaftsschule KV Wetzikon Walter Würzer, Dr. oec., Kantonsrichter, St.Gallen

Herzlichst, Herbert Wattenhofer wahe@schatzverlag.ch

Neugestaltung Fabienne Schmidt (Layout), AVD GOLDACH AG Noel Bürgler (Grafikstil), AVD GOLDACH AG

Layout/Grafik

Shannon Kneubühler, AVD GOLDACH AG

Icons

AVD GOLDACH AG und freepik.com

Projektleiter

Herbert Wattenhofer, Baumackerstrasse 45, 8050 Zürich

Web-Master

juerg.danuser@danuserwebservice.com Leiter: Jürg Danuser Bahnhofstrasse 12, 9445 Rebstein Assistent: Oliver Tobler, Balgach

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Ausgabe

20. Ausgabe, Juni 2023

ISBN

978-3-033-00266-8

RECHT

1

Grundlagen des Rechts

7

2 Das Personenrecht 3 Das Familienrecht

16 31

4 Das Erbrecht

49

5 Das Sachenrecht 6 Die Obligation 7 Kauf und Tausch

61

65 83 98

8 Verträge zur Gebrauchsüberlassung 9 Arbeitsrecht und Arbeitsverträge 10 Lehrvertrag und Berufsbildung

109 124 128 131 133 135 145 150 163

11 Der Werkvertrag 12 Der Auftrag 13 Die Bürgschaft

14 Das Gesellschaftsrecht 15 Urkunden und Wertpapiere

16 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 17 Die Rechtspflege und Strafgesetzgebung

STAAT 18 Unser Staat

185 216

19 Steuern und Öffentliche Finanzen

WIRTSCHAFT 20 Grundfragen der Wirtschaftskunde

245 260

21 Volkswirtschaftslehre 22 Betriebswirtschaftslehre

312

23 Die Versicherungen

349 373 384 388 403 423

24 Unser Gesundheitswesen

25 Organspende und Transplantation in der Schweiz

26 Budget, Sparen, Anlegen, Aufnehmen

27 Nachhaltigkeit

28 Vermeiden von Food Waste

Sachregister Finden Sie gezielt einen bestimmten Inhalt

430

UNSER

Im angelsächsischen Bereich ist es gang und gäbe, Lehr­ bücher mit kreativen, lustigen Illustrationen aufzulockern. Bei uns gilt dies leider immer noch als «unseriös».

Das finden wir schade. Lernen sollte auch mit Spass und Freude verknüpft sein.

Wir haben deshalb einen jungen «Nachwuchsillustrator» gebeten, für uns exklusiv einige Bilder zu gestalten, die wir in der vorliegenden Ausgabe von «Recht Staat Wirtschaft» streuen.

Wir hoffen, die Zeichnungen regen da und dort zum Schmunzeln an.

LUZI ETTER

In Magglingen aufgewachsen, lebt heute in Umgebung Zürich

Von Kindesbeinen an immer am Zeichnen gewesen, auch während der Schule

Arbeitet in der Unternehmensberatung und in einem Start-up

Zeichnet als Hobby und zum Ausgleich

Link auf http://www.luzi.eu/

1

Grundlagen des Rechts

2

Das Personenrecht

3

Das Familienrecht

4

Das Erbrecht

5

Das Sachenrecht

6

Die Obligation

7

Kauf und Tausch

8

Verträge zur Gebrauchsüberlassung

9

Arbeitsrecht und Arbeitsverträge

10

Lehrvertrag und Berufsbildung

11

Der Werkvertrag

12

Der Auftrag

13

Die Bürgschaft

14

Das Gesellschaftsrecht

15

Urkunden und Wertpapiere

16

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

17

Rechtspflege und Strafgesetzgebung

WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

GRUNDLAGEN DES RECHTS

1

Wo immer es mehrere Menschen gibt, benötigen sie für ihr Zusammenleben gewisse Verhaltens- regeln, sonst setzt sich bloss der jeweils Stärkere durch. Diese Regeln können in einem selbst verinnerlicht sein, d. h. das Gewissen ist Richtschnur des Handelns. Ethik und Moral befassen sich mit diesem Bereich. Man kann sich aber auch so verhal- ten, wie es in einer Gegend oder Gesellschaftsschicht «üblich» ist. Damit sind Sitte und Brauch angesprochen. Als dritte Quelle von Verhaltensregeln gilt das Recht. Die Rechtsordnung versucht, Regeln zu erstellen, die weitgehend unabhängig von der persönlichen Gewissenslage und den ge- rade herrschenden Sitten allgemeine Gültigkeit besitzen; deshalb sind diese Regeln grundsätzlich zuverlässig und klar. Die vielen, vom Staat schriftlich festgehaltenen Gesetze, Verordnungen und Reglemente werden als Rechtsordnung bezeichnet. Sie sind vom Staat erzwingbar und führen daher bei Missachtung zu negativen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger. Die Bundesverfas- sung gilt als Basis unserer Rechtsordnung und setzt den verbindlichen Rahmen für sämtliche Rechtsvorschriften.

AUFGABEN | KAPITEL 1

1 Diskutieren Sie: Wie ist das Verhältnis zwischen Sitte, Moral und Recht? Ist das eine dem anderen untergeordnet? Ergibt sich Recht aus Moral und Sitte? Darf Recht Moral und Sitte widersprechen ? Stellen Sie drei Unterschiede zwischen einer Rechtsordnung und Bräuche/Sitten einander gegenüber.

Rechtsordnung

Bräuche/Sitten

7

RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

2 Vor 12 Jahren haben Sabine Roth und Peter Baumann geheiratet. Sie brachte ein ererbtes Vermögen von CHF 600 000.– in die Ehe. Nach einem Jahr wurde das erste Kind geboren. Es war eine Tochter, die sie auf den Namen Regula tauften. Nach weiteren drei Jahren erfolgte die Geburt der zweiten Tochter Priska. Jetzt ist es noch einmal so weit. Als drittes Kind des Ehepaares Baumann-Roth kommt ein Knabe zur Welt. Doch vier Tage nach der Geburt stirbt Frau Baumann völlig unerwartet. Entscheiden Sie, welche der folgenden Handlungen im Verlauf dieser tragischen Ereignisse auf Recht und welche auf Brauch (Sitte, Moral) beruhen. a ) Herr Baumann meldet dem Zivilstandsamt die Geburt und die genaue Geburtszeit seines Sohnes. b ) Er teilt dem Amt mit, dass sein Sohn Tobias Michael heissen solle. Der Rufname sei Tobias. c ) Als Taufpaten für den kleinen Tobias sind Herrn Baumanns Bruder Paul und dessen Frau Iris vorgesehen. Sie werden sofort nach der Geburt telefonisch benachrichtigt. d ) Der stolze Vater verschickt gedruckte Geburtsanzeigen an Freunde, Bekannte und Verwandte. e ) Nach dem unerwarteten Tod seiner Frau bringt Herr Baumann schmerzerfüllt den vom Arzt ausgestellten Totenschein aufs Zivilstandsamt. Tag und Stunde der Beerdigung werden festgesetzt. f ) Der trauernde Herr Baumann bespricht sich mit dem Pfarrer wegen des Trauergottesdienstes. Er übergibt ihm einen kurzen Lebenslauf der Verstorbenen. g ) In der Lokalzeitung lässt Herr Baumann eine Todesanzeige erscheinen und versendet gedruckte Trauerbotschaften an auswärtige Verwandte und Bekannte. h ) Bruder Paul und Schwägerin Iris nehmen den kleinen Tobias als vorgesehene Paten vorderhand in Pflege. i ) Die Inventarisationsbehörde nimmt ein Nachlassinventar der verstorbenen Frau Baumann auf. Als einzige Erben werden der Gatte Peter Baumann sowie die drei Kinder bezeichnet. j ) Herr Baumann verwaltet einstweilen die Erbschaft seiner unmündigen Kinder. k ) Die Empfänger der Todesanzeige, die nicht an der Beerdigung teilnehmen können, senden Herrn Baumann eine Kondolenzkarte.

3 Entscheiden Sie, welche der folgenden Aussagen rechtlich fixiert sind.

Schlagen Sie im Zivilgesetzbuch (ZGB) und im Obligationenrecht (OR) nach. Nennen Sie die entsprechenden Gesetzesartikel. Benutzen Sie dazu das Sachregister im ZGB und OR. a ) Ein Lehrling muss von seinem Lohn den Eltern einen Beitrag an die Haushaltskosten abliefern, sofern die Eltern es verlangen. (Siehe Sachregister OR und ZGB ➞ 1. Familie ➞ 2. Kinder ➞ 3. Arbeitserwerb). b ) Im Garten des Nachbars steht ein Kirschbaum. Die Früchte an dem Ast, der über den Zaun in unseren Garten hinüberragt, gehören uns. (Siehe Sachregister OR und ZGB ➞ Eigentum ) c ) Vor der Kinokasse warten die Besucher in einer Warteschlange. Ich muss hinten anschliessen. ( Rechtsordnung oder Anstandsregel ? ) d ) Ein Arbeitgeber darf einer Frau während der Schwangerschaft nicht kündigen. (Siehe Sachregister OR und ZGB ➞ 1. Arbeitsvertrag ➞ 2. Kündigung ➞ 3. Suchen Sie nun unter dem Buchstaben K. ➞ 4. Kündigung zur Unzeit). Wie heisst der Gesetzesartikel? e ) Wenn ich auf der Strasse etwas finde und dem Eigentümer zurückgebe, habe ich Anrecht auf einen Finderlohn. (Siehe Sachregister OR und ZGB ➞ Finderlohn ) f ) Wenn ich mit einem Kollegen mündlich vereinbare, ihm mein Mofa für einen bestimmten Preis zu verkaufen, ist dies bereits ein rechtsgültiger Vertrag. (Siehe Sachregister OR und ZGB ➞ Vertrag ➞ Form ) g ) Wer in der Stadt seinem Vorgesetzten begegnet, hat diesen zu grüssen. ( Rechtsordnung oder Anstandsregel ? ) h ) Wenn zwei Verlobte sich trennen, können sie vom anderen die während der Verlobungszeit gemachten Geschenke zurückverlangen. (Siehe Sachregister OR und ZGB ➞ Verlöbnis )

8

WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

Öffentliches und privates Recht

1.1

Das Recht lässt sich unterteilen in öffentliches und privates Recht. Öffentliches Recht regelt die Beziehungen zwischen dem Staat als Träger der hoheitlichen Gewalt (Bund, Kanton, Gemeinde) und anderen Staaten einerseits und zwischen Staat und (Privat-) Personen andererseits. Das Privat- oder Zivilrecht schliesslich befasst sich mit den Beziehungen unter rechtlich gleichge- stellten (Privat-) Personen.

Öffentliches Recht regelt die Beziehungen der Bürger zur übergeordneten Staatsgewalt.

Bund, Kanton, Gemeinde

Internationales

Bürgerinnen und Bürger

z. B. Völkerrecht, Europarecht

z. B. Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Prozessrecht, Steuerrecht, Strafrecht

Privat- oder Zivilrecht regelt die Beziehungen unter rechtlich gleichgestellten (Privat-) Personen.

( Privat- )Personen

( Privat- )Personen

z. B. Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht

Die Vorschriften im öffentlichen Recht haben zwingenden Charakter, d. h. sie können, auch im ge- genseitigen Einverständnis, nicht abgeändert oder aufgehoben werden. Beim Privatrecht hingegen können wir zwischen zwingendem und ergänzendem (dispositivem) Charakter unterscheiden.

AUFGABE | KAPITEL 1.1

4 Ordnen Sie folgende Rechtsvorgänge dem öffentlichen oder privaten Recht zu.

a ) Sie mieten eine Wohnung. b ) Sie erheben Einspruch gegen die Steuerveranlagung. c ) Wegen Falschparkens werden Sie gebüsst. d ) Sie heiraten. e ) Am Kiosk kaufen Sie eine Illustrierte. f ) Sie unterschreiben einen Arbeitsvertrag. g ) Sie haben einen Autounfall.

9

RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

Zwingendes und ergänzendes Recht

1.2

Dispositives Recht

Speziell das Privatrecht ist dadurch gekennzeichnet, dass es den Bürgern in ihren Rechtsbeziehun- gen untereinander gewisse Freiheiten gewährt. Viele Rechtsvorschriften gelten deshalb nur dann, wenn keine anderen Abmachungen getroffen wurden. Sie haben also ergänzenden Charakter. Es gibt aber Fälle, in denen es auch den Parteien des Privatrechts untersagt ist, eigene, von den gesetzlichen Regeln abweichende Vereinbarungen zu treffen. Solche Rechtsnormen, die nicht freiheitlich anders angewendet werden dürfen, haben also zwingenden Charakter.

Zwingendes Recht

ARBEITSVERTRAG Partei :

Beispiel AG Fritz Muster

Name :

Anstellung :

Informatiker ab 1. Januar 20__

Lohn :

CHF 6000.–/Mt. brutto

Überstunden : Kompensation od. ¼ Zuschlag Sondervergütung : CHF 4000.– am 15.Dezember Sozialleistungen : Arbeitnehmerbeiträge werden vom Lohn abgezogen AHV, IV, EO, ALV = 6,4% Arbeitszeit : 8,5 h/Tag 42,5 h/Wo Probezeit : 3 Monate Ferien : 4 Wochen Ferien pro Jahr

2 Arbeitstage bezahlte Weiterbildung

Arbeitnehmer Arbeitgeber .......................... .......................... .......................... ..........................

Ort, Datum:

Unterschriften :

Beispiele Dispositives Recht

Eine Sondervergütung muss nur dann ausbezahlt werden, wenn sie vertraglich vereinbart wurde. OR 322 d Verlängerung der Probezeit um 2 Monate. Wenn nichts vereinbart gilt nur der 1. Monat als Probezeit. OR 335 b Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Lohnentrichtung nach Zeit oder geleisteter Arbeit OR 319 I, Überstundenarbeit (Kompensation oder ein ¼ Zuschlag) lt. OR 321 c Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer jede Woche einen freien Tag zu gewähren. OR 329 I

Beispiele Zwingendes Recht

AUFGABE | KAPITEL 1.2

5 Entscheiden Sie, ob die folgenden Gesetzesartikel ergänzende oder zwingende Rechtsnor- men enthalten:

➞ Einberufung der Vereinsversammlung

a ) ZGB 64, Abs. 3

➞ Ordentlicher Güterstand

b ) ZGB 181

➞ Erbfähigkeit eines Ungeborenen ➞ Kostenaufteilung bei Miteigentum ➞ Übergabekosten beim Kaufvertrag

c ) ZGB 544, Abs. 1 d ) ZGB 649, Abs. 1

e ) OR 188

➞ öffentliche Beurkundung beim Grundstückkauf

f )

OR 216, Abs. 1

➞ Schriftlichkeit beim Lehrvertrag ➞ Vorschriften zum Einzelarbeitsvertrag

g ) OR 344 a, Abs. 1 h ) OR 361 + 362

10

WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

Rechtsgrundsätze

1.3

Sowohl das öffentliche wie das private Recht kennen einige Grundsätze, die heute in den meisten Demokratien verwirklicht sind.

Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. 2 Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. 3 Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. 4 Bund und Kantone beachten das Völkerrecht

Bundesverfassung ( BV ) Artikel 5

Menschenwürde Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.

BV 7

Rechtsgleichheit 5 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

6 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Her- kunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. 7 Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. 8 Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.

BV 8

Glaubens- und Gewissensfreiheit 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.

2 Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. 3 Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. 4 Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. Anwendung des Rechts 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. 2 Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. Handeln nach Treu und Glauben 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. 2 Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. Guter Glaube 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. 2 Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.

BV 15

Zivilgesetzbuch ( ZGB ) Artikel 1

ZGB 2

ZGB 3

11

RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

Gerichtliches Ermessen Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. Beweislast Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.

ZGB 4

ZGB 8

AUFGABE | KAPITEL 1.3

a) Suchen Sie zu den Rechtsgrundsätzen im öffentlichen Recht noch weitere Artikel in unserer Bundesverfassung. b) Nun vergleichen Sie diese Rechtsgrundsätze und deren Gültigkeit in Staaten wie China oder Russland. 6

Angabe der Rechtsquelle

1.4

Es gibt viele Gesetzessammlungen, mit denen Sie in Zukunft arbeiten werden. Wenn man ange- ben muss, in welchem Gesetz eine Rechtsvorschrift zu finden ist, so hält man sich am besten an folgende Regeln:

In welchem Gesetz findet sich die Rechtsvorschrift?

Angabe der Abkürzung ➞ Zivilgesetzbuch ( ZGB ) ➞ Obligationenrecht ( OR ) ➞ Strafgesetzbuch ( StGB ) ➞ Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG) ➞ Arbeitsgesetz (ArG) usw.

In welchem Artikel steht die Rechtsvorschrift?

Angabe der Artikelnummer ➞ Handlungsfähigkeit ( ZGB 13 )

➞ Darlehen ( OR 312 ) ➞ Nötigung ( StGB 181 )

➞ Barkredit (KKG 9), im Konsumkreditgesetz geregelt ➞ Missbrauch einer Fernmeldeanlage (StGB 179septies) ➞ Verein ( ZGB 60ff. ) Angabe der Absatznummer und Ziffer ➞ Schutz vor Rechtsmissbrauch (ZGB 2 II oder ZGB 2 Abs. 2) ➞ Vertretung in medizinischen Fragen (ZGB 378 I Ziff. 2)

In welchem Absatz steht die Rechtsvorschrift?

➞ Entwendung aus Not (StGB 138 II) ➞ Ferien im Lehrvertrag (OR 345a III)

Bundesgerichtspraxis

Anmerkung: Das Bundesgericht setzt beim Zitieren die Rechtsquelle an den Schluss (z. B. Art. 13 ZGB). Dies ist auch in der Rechtslehre üblich.

12

WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

Rechtsquellen

Geschriebenes Recht BV, Gesetze, Verordnungen

Gerichte Amtsstellen Behörden

Gerichtspraxis Gesetze müssen ausgelegt und auf einzelne Fälle angewandt werden.

Richterliches Ermessen Der Richter entscheidet nach neuster Rechtslehre und im Sinne der Allgemeinheit.

Gewohnheitsrecht Festgesetze, verankerte Bräuche

Vorgehen beim Bearbeiten von Rechtsfällen

1.5

Die Arbeit mit den Gesetzbüchern dient dazu, einen konkreten Sachverhalt einem gesetzlichen Tatbestand unterzuordnen und daraus eine Rechtsfolge zu ermitteln.

Sachverhalt

Was hat sich zugetragen, was ist passiert? Frau Gärtner topft auf dem Balkon ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ihre Geranien um. Dazu stellt sie die Blumenkisten auf den Sims. Dabei fällt ihr eine Blumenkiste vom Sims und tötet ein Kind auf dem darunterliegenden Spielplatz. Welche gesetzliche Regelung ist für den Sachverhalt vorgesehen? StGB 117: «Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft.» Merkmale des Tatbestandes:

Tatbestand

➞ Tod eines Menschen ➞ Fahrlässige Handlung ➞ Verursachung ( Kausalzusammenhang )

Rechtsfolge

Welche gesetzliche Folge ist aufgrund des Tatbestandes vorgesehen? StGB 117: Gefängnis oder Geldstrafe (abstrakte Rechtsfolge muss durch den Richter konkretisiert werden ) ➞ Frau Gärtner wird zu 3 Wochen Gefängnis bedingt verurteilt. Im Vordergrund stehen für uns die Beurteilung des Sachverhalts, die Problemformulierung und die Beurteilung von Lösungsmöglichkeiten, die uns dann zu einem Entscheid über eine mögli- che gesetzliche Rechtsfolge führen können. Die Festlegung der konkreten Auswirkungen dieser Rechtsfolge ist dann die Sache der Rechtsprechung, also des Gerichts.

Sachverhalt Ausgangslage Ereignis

Beurteilung Sind die Tatbestands- merkmale der möglichen Rechtssätze erfüllt?

Suche des Tatbestands Welche Rechtssätze sind für die Problemlösung bedeutsam ?

Lösungsmöglichkeiten Welche Lösungen kommen in Frage? Parteiinteressen?

Formulierung des Problems Was wissen wir, was nicht? Was wollen die Beteiligten?

Entscheid Rechtsfolge Konkrete Auswirkung

13

RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

Unser Zivilgesetzbuch ( ZGB )

1.6

Inhaltsübersicht des ZGB

Allgemeine Rechtsgrundsätze Allgemeine Regeln des Rechts Anwendungsbereiche des Rechts

Einleitung ZGB 1 – 10

Grundlagen zur Persönlichkeit Natürliche Personen Juristische Personen

Erster Teil: Das Personenrecht ZGB 11 – 89

Das Eherecht Die Verwandtschaft Der Erwachsenenschutz

Zweiter Teil: Das Familienrecht ZGB 90 – 455

Dritter Teil: Das Erbrecht ZGB 457 – 639

Die Erben Der Erbgang

Das Eigentum Die beschränkten dinglichen Rechte Besitz und Grundbuch

Vierter Teil: Das Sachenrecht ZGB 641 – 977

Allgemeine Bestimmungen Die einzelnen Vertragsverhältnisse Die Handelsgesellschaften und die Genossenschaft Handelsregister, Geschäftsfirmen und kaufmännische Buchführung Die Wertpapiere

Fünfter Teil: Obligationenrecht OR 1 – 1186

AUFGABEN | ZU DEN EINLEITUNGSARTIKELN DES ZIVILRECHTS

1 Die Unterscheidung zwischen schriftlich fixierten Rechtsnormen und auf Gewohnheit und Brauch basierenden Regeln spielt innerhalb unserer Rechtsordnung eine wichtige Rolle. Obwohl wir ein gut ausgebautes Rechtssystem haben, kann nicht jede Einzelheit rechtlich geregelt werden. Deshalb sind unsere Gesetze so aufgebaut,dass in bestimmten Fällen auch nicht schriftlich festgehaltene Grundsätze als Rechtsquellen zur Anwendung kommen können. Wie dies zu geschehen hat, darüber gibt uns das ZGB in Artikel 1 Auskunft. Dabei entspricht jeder der drei Absätze dieses Artikels einer Stufe der Rechtsprechung. Halten Sie diese drei Stufen schriftlich fest. 2 Herr Hilfiker ist Besitzer einer grossen Wiese an jenem See, an dem Guido Furrer das nächste Pfadilager durchführen will. Auf seine Anfrage hin ist Herr Hilfiker bereit, für zwei Wochen seine Wiese zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen. Bei einem Glas Wein werden die Einzelheiten besprochen, wobei sich Herr Hilfiker als ehemaliger Venner der gleichen Pfadi- gruppe, der Guido Furrer angehört, zu erkennen gibt. Mündlich kommen die beiden überein, dass das Grundstück am Schluss aufgeräumt zu verlassen sei. Miete verlangt Herr Hilfiker keine. Nach der erfolgreichen Durchführung des Lagers erhält jedoch Guido Furrer plötzlich eine Rechnung, mit der Herr Hilfiker für die Miete des Grundstücks CHF 50.– pro Tag verlangt. Beurteilen Sie die Rechtslage. 3 In den letzten Jahren haben sich die Streitereien zwischen den Familien Huber und Steine- mann, welche Nachbarn in einem Reiheneinfamilienhaus sind, gehäuft. Bisher waren es nur Kleinigkeiten. Jetzt aber ist eine neue Situation hinzugekommen. Ohne erkennbaren Grund errichtet Herr Huber auf seinem Grundstück eine hohe Palisadenwand, welche es vom Grundstück der Steinemanns aus verunmöglicht, die Aussicht auf den See zu geniessen. Auf die Vorhaltungen von Herrn Steinemann reagiert Herr Huber unwirsch mit der Antwort, dass er auf seinem Grund und Boden bauen dürfe, was er wolle, solange er damit die Bauvor- schriften nicht verletze. Muss sich die Familie Steinemann damit zufrieden geben?

14

WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

4 Auf einem Flohmarkt kauft Reto Feller eine schöne antike Vase, die gut in seine Sammlung passt. Der Preis von CHF 300.– scheint ihm günstig. Er schreibt dies der Tatsache zu, dass der Verkäufer ein Laie ist, und über den wirklichen Wert nicht Bescheid weiss. Er ahnt nicht, dass es sich um Diebesgut handelt. Was würde geschehen, wenn der Bestohlene bei einem Besuch die Vase in Fellers Wohnung entdecken würde? 5 Priska Hauser sucht im Internet nach einem günstigen Computer. Dort findet sie einen hoch- modernen Laptop zu einem unschlagbaren Preis. Als sie sich mit dem Verkäufer trifft, gibt es jedoch neben dem Preis noch weitere Indizien, die sie vermuten lassen, dass es sich um einen gestohlenen Computer handeln könnte: Die fehlende Kaufrechnung, das fehlende Ladegerät und vor allem ein teilweise abgerissenes Klebeetikett, auf dem noch eine Identifikationsnum- mer zu erkennen ist, und für die der Verkäufer eine fadenscheinige Erklärung abgibt. Sie kauft den Computer trotzdem. Könnte sie in diesem Fall zur Rechenschaft gezogen werden?

6 Peter Münger kauft im Warenhaus eine Schachtel Farbstifte. Zuhause merkt er jedoch, dass sämtliche Stifte nicht zu gebrauchen sind. Die Spitzen brechen laufend ab. Offensichtlich liegt ein Fabrikationsfehler oder ein Transportschaden vor. Leider hat er den Kassabon fort­ geworfen. Was kann Münger tun?

7 Frau Ellenberger lässt ihre Nähmaschine reparieren. Zwar funktioniert sie jetzt wieder einwandfrei, jedoch scheint ihr die Rechnung zu hoch, weil sie zu bemerken glaubt, dass nicht alle aufgeführten Ersatzteile auch wirklich neu eingebaut worden sind. Sie weigert sich deshalb, die Rechnung zu bezahlen. Wie ist die Rechtslage?

8 Yannick und Séverine lassen sich scheiden. Das Sorgerecht für ihre drei Kinder wird Séverine anvertraut, die für ein bescheidenes Gehalt arbeitet. Yannick hat die Trennung immer noch nicht verdaut und findet sich nicht damit ab, für Séverine und die Kinder Unterhalt zahlen zu müssen. Er plant daher, von seinem bisherigen Arbeitgeber entlassen zu werden, sich als arbeitslos zu registrieren und für die erneute Jobsuche sehr lange Zeit zu lassen. Er erhofft sich dadurch niedrigere Unterhaltszahlungen. Warum ist das Projekt von Yannick nicht nur unmoralisch, sondern aus rechtlicher Sicht auch nicht sehr vernünftig?

9 Erklären Sie den Sinn von ZGB 9 und geben Sie drei Beispiele von öffentlichen Registern.

10 Martha hat gerade ihren Partner verloren, mit dem sie seit zehn Jahren im Konkubinat gelebt hat. Das AHV sieht jedoch keine Hinterbliebenenrente für Konkubinatspartner vor. Martha fin- det das unfair und meint, dass ein Gericht diese Gesetzeslücke auf der Grundlage von ZGB Art. 1 und 2 schliessen könnte. Hat sie recht?

11 Nicole verlangt von Jonas einen bestimmten Geldbetrag zurück, den sie ihm angeblich geliehen hat. Weil sie sich nicht einig werden, enden die beiden vor Gericht. Jonas argumen- tiert, dass Nicole ihm nie das Geld gegeben habe, während Nicole das Gegenteil behauptet. Welcher Einleitungsartikel ist hier relevant und was folgt darauf für die beiden?

15

RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

DAS PERSONENRECHT ( ZGB 11 – 89 C )

2

Natürliche Personen ( ZGB 11 – 49 )

2.1

Personen sind die Subjekte unserer Rechtsordnung: Sie nehmen am Rechtsleben teil und sind Träger von Rechten und Pflichten. Man unterscheidet natürliche und juristische Personen. Natür- liche Personen sind Menschen aus Fleisch und Blut; juristische Personen sind vom Recht geschaf- fene, künstliche Gebilde, wie z. B. eine Aktiengesellschaft oder ein Verein. Mit diesen beiden Arten von Personen beschäftigt sich das Personenrecht.

Natürliche Personen ( ZGB 11 ff. )

Jedermann ist rechtsfähig, d. h. jeder Mensch hat die Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben. Dieses Recht ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Beruf und steht jedem Mensch zu (ZGB 11).

Man unterscheidet 3 Stufen der Handlungsfähigkeit: Damit eine Person durch ihre Handlungen selbständig und in eigener Verantwortung Rech- te und Pflichten begründen kann, wie z. B. Verträge abschliessen sowie Prozesse führen, muss sie volljährig und urteilsfähig sein (voll handlungsfähig). Volljährig ist man mit Vollendung des 18. Lebensjahres (ZGB 14), urteilsfähig, wenn man vernunftgemäss handeln kann (ZGB 16). Die Urteilsfähigkeit hängt stark vom Alter und der jeweiligen Situation ab. Eine Person ist beschränkt handlungsunfähig, wenn sie zwar urteilsfähig, aber noch nicht volljäh- rig ist bzw. unter umfassendem Beistandschaft steht. Solche Personen können durch ihre Hand- lungen zwar auch Rechte und Pflichten begründen, vorausgesetzt ist aber, dass die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt oder es um das Erlangen von unentgeltlichen Vorteilen oder das Ausüben von Rechten geht, die der Person um ihrer Persönlichkeit Willen zustehen. Bei einem Jugendlichen wird die gesetzliche Zustimmung der Eltern angenommen, wenn er z. B. im Coop Essen kauft (Alltagsgeschäft). Erfahren die Eltern im Nachhinein von einem Geschäft, das ihr Kind eingegangen ist und sind sie nicht einverstanden damit, so müssen sie dies dem Ver- tragspartner sofort mitteilen. Will ein Jugendlicher aber z. B. eine Wohnung mieten, also ein be- deutendes Rechtsgeschäft abschliessen, so ist er diesbezüglich handlungsunfähig und wird durch die Eltern vertreten. Beschränkt handlungsunfähige Personen werden aus unerlaubter Handlung schadenersatzpflichtig. Eine Person ist voll handlungsunfähig, d. h. sie kann durch ihre Handlungen keine rechtlichen Wirkungen herbeiführen, wenn sie nicht urteilsfähig ist. In diesem Fall ist irrelevant, ob die Per- son volljährig oder minderjährig ist. Es handelt sich hier z. B. um Kleinkinder oder Personen mit psychischen Störungen. Solche Personen haben jeweils einen gesetzlichen Vertreter, der sich um ihre Angelegenheiten kümmert.

Volle Handlungsfähigkeit ( ZGB 12 und 13 )

Beschränkte Handlungsunfähigkeit ( ZGB 19 )

Volle Handlungsunfähigkeit ( ZGB 17 und 18 )

16

WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

Handlungsfähigkeit ( ZGB 12/13 )

Urteilsfähigkeit ( ZGB 16 )

Volljährigkeit ( ZGB 14 )

Rechtsfähigkeit ( ZGB 11 )

Die Persönlichkeit eines Menschen beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tode (ZGB 31). Verschiedene Bereiche der Persönlichkeit eines Menschen sind geschützt; z. B. das Leben, die Freiheit, die körperliche und geistige Unversehrtheit, die Ehre oder die Geheim- und Privatsphäre. Wird nun ein solch geschützter Bereich durch ein Verhalten einer anderen Person widerrechtlich verletzt, so sieht das Gesetz verschiedene Möglichkeiten vor. Der Geschädigte kann beim Gericht beantragen z. B. eine drohende Verletzung zu verbieten oder eine bestehende Verletzung zu be- seitigen (ZGB 28 a). Bei häuslicher Gewalt kann man zum Gericht gelangen und verlangen, dass der verletzenden Person verboten wird, sich dem Kläger anzunähern oder sich in einem bestimm- ten Umkreis der Wohnung des Klägers aufzuhalten (ZGB 28 b).

Begriffe im Personenrecht

Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben / Rechtsfähig ist jedermann

Rechtsfähigkeit

ZGB 11

Urteilsfähigkeit

ZGB 16

Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln

Volljährigkeit

ZGB 14

mit Vollendung des 18. Altersjahres

Fähigkeit, durch sein Handeln Rechte und Pflichten zu begründen setzt Urteilsfähigkeit und Volljährigkeit voraus.

ZGB 12/13 Handlungsfähigkeit

Wer urteilsfähig, aber noch nicht 18-jährig ist, oder wer unter umfassender Beistandschaft steht

Beschränkt handlungsunfähig

ZGB 19

AUFGABEN | ZU DEN NATÜRLICHEN PERSONEN

1 Der Mechanikerlehrling Martin Alpiger ist 17 Jahre alt. Seine grösste Leidenschaft gilt Motorrädern und Autos. In einem halben Jahr wird er seinen 18. Geburtstag feiern und dann sofort den Fahrausweis erwerben, um so schnell wie möglich als Volljährigkeit mit einem eigenen Auto die neue Freiheit auskosten zu können. Schon jetzt ist er deshalb auf der Suche nach einer preiswerten Occasion. Beim Occasionshändler Meienberg wird er fündig und entdeckt ein günstiges Auto für CHF 12 000.–. Sofort schlägt er zu und lässt sich das Auto reservieren. In drei Tagen will er mit dem Geld und einem älteren Kollegen vorbeikommen, der für ihn das Auto nach Hause fahren kann. Die Eltern von Martin sind mit dem Kauf gar nicht einverstanden. Sie pochen auf seine Minderjährigkeit und wollen das Geschäft rückgängig machen. Wie ist die Rechtslage? 2 Martin Alpiger hat sich schliesslich durchsetzen können und ist jetzt stolzer Besitzer eines Autos, das er allerdings noch nicht fahren darf. Eines Abends kann er jedoch der Versuchung nicht widerstehen und beschliesst, auf einer wenig befahrenen Nebenstrasse seine ersten Fahrversuche zu machen. Dabei landet er nach wenigen Metern im Vorgarten eines Einfamili- enhauses und verursacht einen erheblichen Sachschaden. Ist er als Minderjähriger haftbar?

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RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

3 Jonas ist ein dreijähriger Knabe und macht im Moment nichts lieber, als seinen Vater nachzu- ahmen. Dieser ist Pfeifenraucher. In einem günstigen Moment gelingt es Jonas, das Pfeifenetui seines Vaters an sich zu nehmen. Sofort verschwindet er damit im Keller des Mehrfamilienhau- ses und versucht dort, die Pfeife zum Brennen zu bringen. Leider brennt am Schluss der Keller. Kann Jonas für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden?

4 Wie sähe es aus, wenn Jonas nicht allein gehandelt hätte, sondern noch sein 15-jähriger Bruder dabei gewesen wäre?

5 Stockbetrunken kommt Mathias Tanner nach Mitternacht nach Hause. Weil er seinen Schlüssel nicht finden kann, beginnt er im Treppenhaus zu lärmen. Frau Klinger, seine Nachbarin, ist darüber gar nicht glücklich und will ihn zur Rede stellen. Herr Tanner reagiert darauf sehr unsanft. Frau Klinger trägt ein blaues Auge davon. Kann Herr Tanner wegen Körperverletzung belangt werden? 6 Frau Meier arbeitet halbtags. Weil am Mittwochnachmittag ihre Hütefrau jeweils abwesend ist, passt die 13-jährige Nachbarstochter Sandra in der Wohnung der Familie Meier auf die dreijährige Monika auf. Sie erhält dafür einen Lohn zur Aufbesserung des Taschengeldes. Am Mittwoch vor zwei Wochen wollte Monika unbedingt in der Badewanne mit ihren Schiffchen spielen. Die beiden Mädchen haben also das Wasser angedreht, es dann jedoch vergessen, weil im Fernseher gerade ein Trickfilm lief. Die Folge war ein grosser Wasserschaden, nicht nur in der eigenen, sondern auch in der unter ihnen liegenden Wohnung. Stellen Sie die Haftungsverhältnisse klar.

7 ZGB 12 hält fest, dass man mit der Handlungsfähigkeit das Recht erhält, «Rechte und Pflichten zu begründen». Erklären Sie diesen Satz in eigenen Worten.

8 Isabelle Harder heiratet Walter Ebneter. Dieser hat noch einen Bruder und eine Schwester. Seine Eltern und Grosseltern leben noch. Die Schwester ist ebenfalls verheiratet und hat schon zwei Kinder. Mit wem wird Isabelle Ebneter-Harder durch die Heirat verschwägert?

9 Zwei Jahre später lassen sich Isabelle und Walter Ebneter-Harder scheiden. Isabelle hat sich mit dem Bruder ihres Mannes stark angefreundet. Bleibt dieser nach der Scheidung immer noch ihr Schwager?

10 ZGB 20 regelt den Grundsatz der Verwandtschaft. Wie könnte man diesen Grundsatz mit anderen Worten umschreiben?

11 Hans Meierhofer ist Bürger von Basel. Er wohnt bei seinen Eltern in Liestal. Weil er in St. Gallen an der Hochschule studiert, hat er dort eine kleine Wohnung gemietet. Die Wochenenden verbringt er jedoch meist bei seinen Eltern, und in den Semesterferien wohnt er ebenfalls in Liestal. Welchen gesetzlichen Wohnsitz hat Hans?

12 Sandro Meile ist ein vielversprechender junger Hockeyspieler. Mit nur 18 Jahren hat er, entgegen dem Ratschlag seiner Eltern, gerade einen Vertrag bei einem Profiverein unterschrieben, in dem er sich für einen Zeitraum von zehn Jahren bei guter Bezahlung verpflichtet. Der Vertrag sieht auch vor, dass sich Sandro einem Transfer zu einem anderen Verein nicht widersetzen kann, wenn sein Gehalt dasselbe bleibt. Ist dieser Vertrag gültig? Fortsetzung auf S. 20

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WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

Organtransplantation ETHIK UND RECHT

Zwischen Ethik und Recht gibt es manchmal Spannungen, vor allem, wenn es, wie z. B. bei Organtransplantationen, um Leben und Tod geht. Hier sind drei Fälle dazu. Diskutieren Sie darüber: Wie würden Sie entscheiden? Mit welchen sachlichen Argumenten können Sie Ihren Standpunkt untermauern? Wie ist die rechtliche Situation?

Fall 1: Ein fremder Organspender Ein australischer Geschäftsmann meldet sich in einem Schweizer Transplantationszentrum. Er möchte eine Lebend- nierenspende durchführen und bringt seinen Spender mit. Die Kompatibilität der beiden wurde im Vorfeld abgeklärt und bestätigt. Das psychologische Gutachten gestaltet sich aus sprachlichen Gründen schwierig. Man stellt fest, dass der Spender aus sehr armen Verhältnissen stammt und keine familiäre Beziehung zum Empfänger besteht.

Inwiefern kommt das Transplantationsgesetz zur Anwendung ?

Themen : ➞ Unentgeltlichkeit der Organspende ➞ Liberale Gesetzgebung Schweiz – es braucht keine familiäre Beziehung ➞ Ausländische Staatsangehörige in Schweizer Zentren

Fall 2: Wer kommt zum Zug? Es sind drei Patienten in der Schweiz auf der Herzwarteliste im Dringlichkeitsstatus:

– Ein 65-jähriger Mann (Zürich) mit einem Gewicht von 70 kg, aufgrund schwerer Rückenprobleme seit 20 Jahren IV-Bezüger. – Ein 24-jähriger Mann (Bern), Medizinstudent mit einem Gewicht von 60 kg. – Eine 38-jährige Frau (Lausanne) mit einem Gewicht von 65 kg, Mutter von 3 kleinen Kindern.

Sion meldet eine 22-jährige hirntote Organspenderin mit Blutgruppe 0, einem Körpergewicht von 55 kg und mit guter Herzfunktion.

Wer soll dieses Herz erhalten?

Themen : ➞ Diskriminierung ➞ Dringlichkeit muss unter den Zentren festgelegt werden – welcher Fall ist der dringendste? ➞ Frage des Nutzens

Fall 3: Untersuchungshäftling als Organspender? Ein 42-jähriger Mann bricht in Untersuchungshaft im Rahmen eines Polizeiverhörs zusammen. In der Anamnese stellt man fest, dass er bei der Festnahme starken Widerstand geleistet hat und bereits während des Verhörs drei Mal auf dem Stuhl zusammenbrach. Der Patient kommt bewusstlos auf die Notfallstation und wird sofort künstlich beatmet. Dennoch tritt bei dem 42-Jährigen der Hirn- tod ein. Ein Bekannter, der mit dem Verstorbenen zusammenarbeitet, ist als einziger Angehöriger vor Ort. Sonst ist der Mann alleine in der Schweiz.

Es stellt sich die Frage nach einer allfälligen Organspende.

Themen : ➞ Definition nächster Angehöriger im Transplantationsgesetz ➞ Organspende und strafrechtliche Folgen ➞ Rolle des Untersuchungsrichters

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www.swisstransplant.org

RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT

Fall 4: Zustimmungs- und Widerspruchslösung Eine 40-jährige Frau hatte einen schweren Autounfall. Im Spital kann leider nur noch ihr (Hirn)Tod festgestellt werden. Da Josianne ihren Willen nicht dokumentiert hat, wird ihr Ehemann mit der Frage konfrontiert, ob ihm der Organspendewille seiner Frau bekannt ist.

Wie sieht die Situation aus, wenn die erweiterte Zustimmungslösung oder die erweiterte Widerspruchslösung gilt?

Themen : ➞ Willensäusserungsmodelle ➞ Regelung im Gesetz ➞ Rolle der Angehörigen

13 1 Peter und Maja Schmid sind verärgert. Sie erhalten eine Rechnung über CHF 900.– eines Fitnessstudios, bei dem ihr 17-jähriger Sohn Fabio ohne ihr Wissen ein Abonnement abgeschlossen hat. Müssen sie die Rechnung bezahlen? 2 Nehmen wir an, die Eltern haben vorgängig dem Abo-Abschluss zugestimmt. Müssen sie in diesem Fall die Rechnung bezahlen?

Juristische Personen ( ZGB 52 – 89 )

2.2

Körperschaftlich organisierte Personenverbindungen (AG, GmbH) und Zweckvermögen (Stiftung etc.) erlangen ihre Persönlichkeit durch die Eintragung ins Handelsregister. Vereine ohne wirt- schaftlichen Zweck sowie gewisse Arten der Stiftung bedürfen keiner Eintragung, bei ihnen reicht der blosse Wille, als Körperschaft zu bestehen und die Bestellung der Organe (ZGB 60 Abs. 2). Wie die natürlichen Personen sind auch juristische Personen rechtsfähig: Wird einer Personen- verbindung oder einem Zweckvermögen die Rechtsfähigkeit zuerkannt, ist sie aller Rechten und Pflichten fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen zur Voraussetzung haben (ZGB 53). So kann sie in ihrem Namen Verträge abschliessen oder Prozesse führen; sie geniesst den Schutz ihres Namen, hat die Möglichkeit, ein Geschäft zu führen oder ein Mit- glied in einer Vereinigung zu sein. Sie kann aber auch betrieben werden und ist steuerpflichtig. Damit die juristischen Personen diese Handlungen auch tatsächlich vornehmen können, müssen sie handlungsfähig sein (ZGB 54). Dies sind sie dann, wenn sie natürliche Personen als sog. Or- gane eingesetzt haben. Die Organe handeln dann für die juristische Person. Organe einer juristi- schen Person sind beispielsweise die Mitgliederversammlung, der Vorstand (Verwaltung) sowie die Revisions- oder Kontrollstelle.

Juristische Personen

Körperschaften Zusammenschlüsse von Personen

Stiftungen Vermögen, das einem bestimmten Zweck gewidmet ist

z. B. AG, GmbH, Verein, Genossenschaft

z. B. Pensionskassen, Paraplegiker

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WIRTSCHAFT | STAAT | RECHT

Beispiel: Verein ( ZGB 60 – 79 )

Beim Verein handelt es sich um eine körperschaftlich organisierte Personenverbindung zur Ver- folgung ideeller (politischer, religiöser, wissenschaftlicher, geselliger etc.) Zwecke. Eine Vereins- gründung erfolgt durch die Vereinsversammlung, die die Statuten genehmigt und den Vorstand bestimmt. In den Statuten müssen mindestens der Name, der Zweck, die Mittel sowie die Organe des Vereins geregelt werden. Für Verbindlichkeiten des Vereins haftet grundsätzlich das Vereins- vermögen und nicht die einzelnen Mitglieder. Grundsätzlich kann man auf Ende eines Kalender- jahres aus einem Verein austreten, dabei muss die in den Statuten festgehaltene Kündigungsfrist beachtet werden. Bsp.: Turnverein, Fussballclub. Die Vereinsversammlung besteht aus den Mitgliedern des Vereins und bildet das oberste Organ. Vereinsbeschlüsse werden von der Vereinsversammlung gefasst, wobei alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht haben. Die Vereinsversammlung beschliesst u.a. über die Aufnahme und den Aus- schluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und beaufsichtigt die Organe. Der Vereinsvorstand (mit mindestens einem Mitglied) besorgt die Angelegenheiten des Vereins und vertritt den Ver- ein nach aussen. Er führt u.a. Buch über die Einnahmen und Ausgaben sowie die Vermögenslage des Vereins. Der Vorstand beruft die Vereinsversammlung ein. Bei der Stiftung handelt es sich um ein Vermögen, welches von einer Person zu einem von ihr festgesetzten dauernden Zweck verselbständigt wird. Das Vermögen erhält dadurch eine eigene Rechtspersönlichkeit. Der Zweck einer Stiftung ist oft gemeinnützig oder karitativ. Der Zweck kann vom Stifter nach der Gründung grundsätzlich nicht mehr geändert werden. Da die Stiftung ein gewidmetes Vermögen ist, hat sie keine Mitglieder. Sie handelt durch den Stiftungsrat (Or- gan), welcher aus einer oder mehreren Personen bestehen kann. Ihm/ihnen stehen alle Befugnis- se zu, die in den Statuten nicht ausdrücklich einem anderen Organ übertragen sind. Er hat zudem eine externe Revisionsstelle zu wählen. Bsp.: Paraplegiker Stiftung, SOS Kinderdorf Stiftung.

Organe

Stiftung ( ZGB 80–89bis )

AUFGABEN | ZU DEN JURISTISCHEN PERSONEN (Z. B. VEREIN)

1 Karl Hartmann und Urs Gehrig wollen einen Verein gründen, der sich zum Ziel setzt, Musikveranstaltungen für Jazzliebhaber zu organisieren. Zuerst stellen sie sich die Frage, wie viele Mitglieder sie mindestens für ihr Vorhaben brauchen.

2 Karl Hartmann und Urs Gehrig können noch ihre Kollegin Sandra Bickel für ihre Idee begeistern. Sie hoffen, noch zahlreiche weitere Interessenten gewinnen zu können, sobald sie als Verein aktiv werden. Was müssen sie zuerst unternehmen, um in der Öffentlichkeit als Verein auftreten zu können?

3 Die drei Jazz-Fans sitzen zusammen und bemühen sich, möglichst einfache aber klare Statuten abzufassen. Sehr schnell stellt sich ihnen die Frage, was unbedingt in diesen Statuten stehen muss.

4 Nachdem Sie das ZGB zu Rate gezogen haben, entschliessen sich die drei, vorerst nur das Allernotwendigste in die Statuten hineinzunehmen. Wenn dann die Mitgliederzahl nach der ersten Werbeaktion angewachsen sein wird, wollen sie eine ausgefeiltere Version erarbeiten. Machen Sie einen Vorschlag für die neuen Statuten.

5 Über den Vereinszweck können sich die drei schnell einigen. Bereits bei der Festlegung der finanziellen Mittel treten jedoch Uneinigkeiten auf. Karl ist der Meinung, dass noch kein genau- er Betrag in den Statuten verankert werden soll, während Sandra der Überzeugung ist, dass unbedingt ein Betrag festgesetzt werden müsse. Wie würden Sie sich entscheiden? Warum? Wie steht es mit der Haftung für Verbindlichkeiten des Vereins?

6 Nachdem sie über die finanzielle Seite einig geworden sind, diskutieren die drei Vereinsgründer über die Organisation. Welches ist das gesetzlich absolut notwendige Minimum an Vereinsorganen?

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