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Ehe für alle
Am 26. September 2021 haben das Schweizer Volk und die Kantone die Änderung des Zivilge- setzbuches angenommen, mit der die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde («Ehe für alle»). Seit dem 1. Juli 2022 können somit Frauen- und Männerpaare unter den gleichen Bedin- gungen und mit den gleichen Wirkungen wie Paare des anderen Geschlechts heiraten. Diejenigen, die zuvor eine eingetragene Partnerschaft eingegangen sind, können diese durch eine Erklärung gegenüber einem Standesbeamten ihrer Wahl in eine Ehe umwandeln. Eine Folge dieser Reform ist, dass Frauenpaare nun die Möglichkeit der medizinisch unterstützten Fortpflanzung (künstliche Befruchtung mit Samenspende) in Anspruch nehmen können. Seit dem Inkrafttreten der «Ehe für alle» ist es nicht mehr möglich, neue eingetragene Partner- schaften einzugehen. Gleichgeschlechtliche Paare, die sich offiziell vereinen wollen, können sich nur noch für die Ehe entscheiden. Dennoch bleiben bereits geschlossene Partnerschaften gültig, ohne dass sie in eine Ehe umgewandelt werden müssen. Vorteile Ehe ➞ Bei Trennung: Anspruch auf Pensionskassenguthaben und Anspruch auf Unterhaltsbeiträge. Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch Ehegatten. ➞ Bei Todesfall: Pflichtteilgeschütztes Erbe, Witwen-/Witwerrente der AHV, Pensionskassenanteil. ➞ Beistandspflicht und -recht: Man erhält im Spital ärztliche Auskunft, Konkubinatspartner brauchen schriftliche Erklärung. Nachteile Ehe ➞ AHV-Rente: Einzelrenten sind höher als Eherente. ➞ Höhere Steuern: Gemeinsames Einkommen führt bei gut verdienenden Paaren zu höherer Progression. Im Konkubinat: Einzelbesteuerung. ➞ Auflösung kompliziert und teuer AUFGABEN | ZUR EHESCHLIESSUNG 1 Walter Benz und Brigitte Steiner sind schon über ein Jahr verlobt. Vor allem von Walter geht die Initiative aus, jetzt möglichst schnell zu heiraten. Brigitte hat nichts dagegen. Sie berät sich wegen der Anschaffung eines Brautkleides mit ihrer Freundin Ruth und bittet auch ihren Verlobten um Rat. Gemeinsam suchen sie in einem Spezialgeschäft ein teures Kleid aus. Brigitte bezahlt es und holt es ab, nachdem noch eine grössere Änderung ausgeführt worden ist. Zwei Wochen später lernt Walter eine andere Frau kennen und verliebt sich in sie. Er löst deshalb das Verlöbnis mit Brigitte auf. Diese kann ihr geändertes Brautkleid im Geschäft nicht mehr zurückgeben. Tief verletzt verlangt sie von Walter eine finanzielle Entschädigung. Dieser weigert sich jedoch. Was kann Brigitte unternehmen?
Konkubinat oder Ehe?
2 Walter Benz ist über die Tatsache, dass Brigitte ihre Forderungen auf gerichtlichem Weg geltend machen will, gar nicht erfreut. Er verlangt deshalb den Ring von Brigitte zurück, den er ihr anlässlich der Verlobung geschenkt hat. Muss Brigitte den Ring zurückgeben?
3 Da Brigitte Steiner ziemlich wütend ist, erinnert sie sich ans Mittagessen, zu dem sie Walter vor zwei Wochen eingeladen hat. Sie verzeichnet deshalb die Rechnung des Mittagessens von CHF 120.– auf der Klageschrift. a) Nutzt dies etwas? b ) Als Walter nach seinem Ring gefragt wird, muss er leider bekennen, dass er den Ring bereits verkauft hat, um seiner neuen Angebeteten ein Geschenk zu machen. Was kann Brigitte tun? c ) Annahme: Walter verunglückt tödlich bei einer Wanderung, die er am nächsten Tag unternimmt. Kann Brigitte die Geschenke am übernächsten Tag zurückfordern? 4 Die 17-jährige Sabine und die 19-jährige Marianne kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Über ihre gemeinsame Vereinsmitgliedschaft sind sie sich in letzter Zeit noch näher gekommen. Sie tauschen Ringe aus und versprechen sich gegenseitig Treue im Hinblick auf eine spätere Heirat. Wozu verpflichten sie sich damit in rechtlicher Hinsicht?
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