RECHT | STAAT | WIRTSCHAFT
16 Die Familie Schöllhorn hat ihre Mietwohnung auf den 31. März gekündigt. Da dieser Tag ein Samstag ist, verlangt der Vermieter die Rückgabe des Mietobjekts und die Schlüssel bereits am Freitag. Kann sich die Familie dagegen wehren?
17 Deborah will für ein Jahr beruflich ins Ausland und hat bereits ein entsprechendes Angebot erhalten. Es gelingt ihr auch, ihre Wohnung, mit Zustimmung des Vermieters, für diese Zeit unterzuvermieten. Ihr Auslandsaufenthalt ist aber ein Desaster, und Deborah beschliesst, nach nur drei Monaten nach Hause zurückzukehren. Da es sich bloss um eine Untervermietung handelt, und der Vertrag zudem nur mündlich abgeschlossen wurde, ist Deborah der Ansicht, dass eine einfache Kündigung der Untermiete per Telefon genügt, und dass sie schon bald wieder in ihre angestammte Wohnung einziehen kann. Wie ist die Rechtslage?
Mieterschutz für Wohn- und Geschäftsräume
8.2
Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen ( OR 269 ff. )
Das Gesetz schützt den Mieter mehrfach vor Missbräuchen des Vermieters. So stellt es zwin- gende Normen auf, die nicht zu Ungunsten des Mieters abgeändert werden dürfen oder nur so- weit es das Gesetz zulässt (OR 273 c). Die Kantone sind verpflichtet, bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht eine Schlichtungsstelle vorzusehen ZPO (Zivilprozessordnung) 200 I. Der Gang zur Schlichtungsstelle ist zwingende Voraussetzung für gewisse Klagen beim Gericht. So muss z. B. ein Begehren um Mieterstreckung zuerst vor der Schlichtungsstelle anhängig gemacht werden. Bleibt diese Verhandlung ergebnislos, berechtigt erst die sog. Klagebewilligung zur Einreichung der Klage vor Gericht. OR 269 ff. gewähren dem Mieter Schutz vor einem unverhältnismässig hohen Mietzins. So darf gemäss OR 269 kein «übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt» werden. Erachtet der Mieter den Mietzins als zu hoch, kann er ihn überprüfen lassen, indem er sich an die Schlichtungsstelle bzw. das Gericht wendet. Wird eine rechtzeitige Anfechtung des Mietzinses unterlassen, ist davon auszugehen, dass ihn der Mieter grundsätzlich akzeptiert. Eine spätere Anfechtung (besondere Ausnahmefälle ausgenommen) könnte dann rechtsmissbräuchlich sein.
Mietzinserhöhung ( OR 269 d )
Entscheidet sich der Vermieter für eine Mietzinserhöhung, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
➞ Mitteilung auf einem amtlich genehmigten Formular ➞ Klare Begründung ➞ Einhaltung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins ➞ Beachtung der zehntägigen Bedenkfrist ➞ Verzicht auf eine Kündigung oder Kündigungsandrohung
Mietzinsherabsetzung ( OR 270 a )
Eine Herabsetzung ist dann möglich, wenn sich die Berechnungsgrundlagen wesentlich geän- dert haben und daraus ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache resultiert. Praxisrelevant ist die Senkung des Hypothekarzinssatzes (Referenzzinssatz), welcher durch das Bundesamt für Woh- nungswesen (BWO) vierteljährlich bestimmt wird. Die Kündigung ist erst wirksam, wenn sie beim Empfänger angekommen ist. Entscheidend ist bloss, ob die Person theoretisch Zugriff darauf hat. Ob sie davon tatsächliche Kenntnis hat, ist unerheblich. Zu Beweiszwecken empfiehlt es sich, das Schreiben mit eingeschriebenem Brief zu versenden. Dann gilt die Regel (sofern der Empfänger nicht nachweislich verhindert ist), dass die Kündigung am Folgetag, nachdem die Abholeinladung in den Briefkasten oder das Postfach gelegt wird, zugestellt ist. Die gesetzlichen Kündigungsfristen dürfen für beide Parteien nur ver- längert, nicht aber verkürzt werden (OR 266 a Abs. 1). Werden diese Fristen nicht eingehalten, ist die Kündigung erst auf den nächstmöglichen Termin gültig (OR 266 a Abs. 2).
Kündigungsschutz ( OR 271 ff. )
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