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Gesetzlicher Leistungskatalog
Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) hält fest, dass die Grundversicherung im «Schaden- fall» für Leistungen bei Krankheit, Unfall (soweit nicht die Unfallversicherung zuständig ist) und Mutterschaft aufkommen muss. Den Krankenversicherern wird bis ins letzte Detail vorgegeben, welche Leistungen bezahlt werden dürfen (positiv gelistete Leistung in einem Katalog sowie Vertrauensprinzip bei ärztlichen Leistungen). Wird eine Leistung weder im Gesetz noch einer damit verbundenen Verordnung (KLV, KVV etc.) erwähnt, so darf diese auch nicht vergütet werden. In der Grundversicherung besteht darum kein individueller Entscheidungsspielraum und auch keine Möglichkeit auf Kulanz vonseiten der Krankenversicherung.
Vertrauensprinzip und WZW
Es wird davon ausgegangen, dass grundsätzlich alles, was die Ärzteschaft tut, auch angebracht ist (Vertrauensprinzip). Die Versicherer prüfen dann, ob jeweils der WZW-Grundsatz eingehalten wird:
➞ Wirksamkeit: Die Behandlung erzielt im Allgemeinen die angestrebte Wirkung und ist wissenschaftlich nachgewiesen
➞ Zweckmässigkeit: Die angestrebte Wirkung wird im Einzelfall in angemessener Form auch tatsächlich hervorgerufen
➞ Wirtschaftlichkeit: Es besteht ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis
25.5 Prämien und besondere Versicherungsformen Die Grundversicherung wird nach dem Ausgabenumlageverfahren durchgeführt. Die laufenden Ausgaben sind grundsätzlich durch die laufenden Einnahmen zu decken. Die Prämien eines Jah- res müssen also den Kosten desselben Jahres entsprechen. In der OKP geschieht dies als einzige Sozialversicherung in Form von einheitlichen Kopfprämien (je nach Wohnkanton und Prämien- region unterschiedlich). Die anderen Sozialversicherungen kennen eine Finanzierung über Lohn- prozente oder Steuern. Die Prämien werden immer im Vorjahr anhand von Prognosen über die Leistungsentwicklung geschätzt und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) genehmigt. In der Realität hat das BAG somit viel Mitspracherecht bei der Höhe der Prämien. Falls die vom BAG genehmigten, resp. festgesetzten Prämien eines Jahres höher liegen als die effektiven Kosten, fliesst dieser Gewinn in die Reserven des Versicherers. Im Falle von zu tiefen Prämien müssen die Versicherten umgekehrt nichts nachzahlen und die Reserven gleichen den Fehlbetrag aus. In der Grundversicherung besteht ein Gewinnverwendungsverbot. Die so gebildeten Reserven sind für unvorhersehbare Ereignisse bestimmt. Das Krankenversicherungssystem soll nämlich auch ein Jahrhundertereignis, also beispielsweise eine Pandemie, die statistisch gesehen einmal alle hundert Jahre auftritt, ohne Turbulenzen überstehen. Um die Selbstverantwortung der Versicherten zu stärken, müssen sich alle Versicherten mit Fran- chise und Selbstbehalt an den Kosten beteiligen. Bei Schwangerschaft ist ein Teil der Kosten von Anfang an von Franchise und Selbstbehalt befreit. Ab der 13. Schwangerschaftswoche bis acht Wochen nach der Geburt bezahlen die werdenden Mütter gar keine Kostenbeteiligung. Wenn die Versicherten medizinische Leistungen aus der Grundversicherung beziehen, müssen sie sich per Gesetz mit einem fixen jährlichen Beitrag (Franchise) an den anfallenden Kosten beteiligen. Bis die Franchise erreicht ist, gehen 100 % der Kosten zu Lasten des Versicherten. Die standardmässige Mindestfranchise liegt für Erwachsene bei CHF 300.–. Wenn eine Person für das nächste Jahr nur geringe Kosten erwartet und denkt, dass das zusätzliche finanzielle Risiko tragbar ist, kann optional eine Franchise von bis zu CHF 2500.– gewählt werden und damit eine deutliche Prämienreduktion erzielt werden (Rabatt von bis zu 50 %, maximal CHF 1540.–). Nach Erreichen der Franchise kommt der Selbstbehalt zum Tragen. Dieser liegt für alle bei 10 % der Kosten und ist begrenzt auf CHF 700.– pro Jahr (CHF 350.– für Kinder).
Prämien, Gewinn und Reserven
Wahlfranchise: Stärkung der Eigenverantwortung
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